Im Gespräch über die Zukunft der Kirche kommt kein Thema so oft auf wie das Ehrenamt. In einem aktuellen Interview teilt der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner seine Sicht auf die anstehenden Veränderungen. Er sieht die Kirche vor einer fundamentalen Transformation: weg von einer Priesterkirche hin zu einer Kirche, die stark auf ehrenamtliches Engagement setzt. Diese Ansicht ist besonders bedeutend in Zeiten, in denen die Zahl der Priester dramatisch sinkt und die Finanzen immer knapper werden, wie katholisch.de berichtet.
Zulehner ist überzeugt, dass ohne Ehrenamtliche die Kirche bereits machtlos dastehen würde. Die Laien haben im Moment oft zu wenig Einfluss auf die Entscheidungen in den Gemeinden. Dabei könnte eine neue Qualität des Ehrenamts nicht nur frischen Wind ins kirchliche Leben bringen, sondern auch Freude und Dynamik fördern. Um diese Entwicklung zu unterstützen, fordert er eine „synodale Amtskultur“, die den autoritären Strukturen der Vergangenheit geschuldet ist, den Rücken kehren sollte.
Ehrenamt als Zukunftsmodell
Nach Zulehner braucht es für die zukunftsfähige Kirche vor allem ein großes Engagement und die Bereitschaft, neue Strukturen zu schaffen. Dazu zählt er die Einrichtung von Ehrenamtsakademien, die professionell und strukturiert arbeiten sollten. Hierbei ist es wichtig, das Ehrenamt nicht nur als Lückenbüßer für fehlende Priester zu sehen, sondern es als zentrale Säule der Gemeinde zu verstehen. Der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz steht hierbei ein ähnliches Modell zur Seite. Dieses System legt großen Wert darauf, dass Ehrenamtliche und Berufstätige geschwisterlich miteinander arbeiten, was für neue Impulse sorgen könnte, wie akd-ekbo.de aufzeigt.
Doch was bedeutet das konkret für die Ehrenamtlichen? Eine gut gestaltete Startmappe für neue Engagierte soll dabei helfen, den Einstieg ins Ehrenamt zu erleichtern. Sie enthält Informationen über die Kirchengemeinde, detaillierte Aufgabenbeschreibungen sowie wichtige Kontakte und Fortbildungsmöglichkeiten. Solche Ressourcen sind entscheidend, um Freiwillige nachhaltig zu motivieren und langfristig an die Gemeinde zu binden.
Strukturen für die Zukunft
In der Diskussion um die Rolle des Ehrenamts in der Kirche betont Zulehner auch die Notwendigkeit von „Ehrenamtskarrieren“, die durch klare Strukturen, finanzielle Mittel und Ausbildungen unterstützt werden sollten. Es gibt zahlreiche Beispiele, wie die Kirchenlandschaften im deutschsprachigen Raum davon profitieren könnten, wenn Ehrenamtliche ernst genommen und gefördert werden. Eine Studie zeigt, dass fast zwei Drittel der Ehrenamtlichen über eine Beendigung ihrer Tätigkeit nachgedacht haben, oft aus familiären oder beruflichen Gründen. Das zeigt auf, dass nicht nur die Kirche in der Pflicht ist, sondern dass auch die Ehrenamtlichen selbst Unterstützung und Anerkennung benötigen. Dies bestätigt auch eine umfassende Studie, die Zulehner in Zusammenarbeit mit Armin Haiderer durchgeführt hat, die zu dem Buch „… Weil es mir Freude macht“ führte und sich mit der Zukunft des Ehrenamts beschäftigt, wie katholisch.at verdeutlicht.
Insgesamt ist Zulehners Appell klar: Eine Zukunft für die Kirche hängt stark vom Engagement der Ehrenamtlichen ab. Ohne diese beiden Transformationsprozesse – die Abkehr von autoritären Strukturen und die Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit – sieht er die Kirche gefährdet. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen diese Erkenntnisse ernstnehmen, denn auch kleine Veränderungen können große Auswirkungen auf die kirchliche Landschaft haben.